„GRENZEN KÖNNEN AUCH WEGE SEIN“

 

Paul Guschlbauers perfekte Red Bull X-Alps Trainingsstrecke wurde vor genau 100 Jahren, mit der Festlegung der Grenze Salzburgs und der Eingliederung als Bundesland in die Republik Österreich, definiert. ‘Ich hätte mir keine spannendere Route ausdenken können’ gesteht Paul.

‘Nachdem mir die Maßnahmen der Bundesregierung meinen Plan, im Sommer ein Hike&Fly Training quer durch Österreich, Schweiz, Italien und Frankreich- also von Salzburg nach Monaco- zu machen, durch diverse Grenzschließungen, vereitelt hat, musste eine neue Idee her…’ und das war laut Paul im Nachhinein das Beste was passieren konnte! Denn warum in die Ferne schweifen…? 

‘Ich war auf der Suche nach einer Trainingsroute die, wenn möglich, ausschließlich in den Bergen, abseits von vielbefahrenen Straßen verläuft und in etwa so lang ist wie die Strecke von Salzburg nach Monaco. Nach ein wenig Recherche war klar: Die Grenze Salzburg ist die perfekte Route! Sie verläuft über die schönsten und höchsten Berge Österreichs, immer den Bergrücken entlang und erstreckt sich über eine Länge von knappen 800 km. Außerdem wohne ich in Hallein, von dort ist der nächste Grenzstein nur 1,5km entfernt. Perfekt also um die Runde direkt von der Haustür zu starten! Außerdem kann man die ‘Intensität der Herausforderung’ frei wählen…für mich war die Grenzlinie wie eine unendliche Anzahl von Turnpoints und je mehr ich davon erreichen konnte, desto besser!’ erzählt Paul.

„ABENTEUER LIEGT IN UNSERER MACHT“

Mitte Juli ist es dann losgegangen. 17 Uhr war es bereits als Paul seine Wohnung verlässt, ausgestattet mit Schlafsack und ein bisschen Essen, um als erste kleine Herausforderung mit dem 17 Kilo Rucksack den Südgrat des Bamstoas zu klettern. ‘Normalerweise ist das kein Problem, aber jetzt war sofort klar, dass dieser schwere Rucksack die größte Herausforderung werden wird…’ ergänzt er. Zum Sonnenuntergang erreicht Paul dann den Untersberg, mit wunderschönem Blick hinunter auf die Stadt Salzburg packt er den Schlafsack aus und deckt sich mit seinem Gleitschirm zu. Wenn der Wind in der Früh passt, möchte er gleich in der Früh so weit wie möglich Richtung Norden gleiten, wo ihm seine Frau sein Mountainbike bringen wird und Paul die 150km Grenzlänge um den ‘flachen’ Teil Salzburgs mit dem Rad zurück legen möchte. Der Plan geht auf und nach einem anstrengenden Tag am Bike mit über 3000 zurückgelegten Höhenmetern, kommt Paul am Fuß des Schober an, von wo aus es am nächsten Tag wieder zu Fuß und mit dem Gleitschirm weiter entlang der Grenze Richtung Süden, Richtung Alpenhauptkamm gehen soll.

Das Wetter spielt an diesem Tag noch sehr gut mit und es gelingt Paul ein Flug über 100km, weit hinein in die hohen Berge, bis zur Reiteralm. ‘Am Anfang bin ich etwas von meiner Strecke abgekommen und musste bei besten Flugbedingungen landen, weil ich der Grenze fliegend einfach nicht mehr folgen konnte. Da ist mir dann einiges durch den Kopf gegangen und ich musste einige grundlegende Überlegungen und Entscheidungen für mich selbst treffen. Es war klar, dass es nicht möglich sein wird der Grenze fliegend immer zu folgen. Die Thermik und der Wind kooperieren diesbezüglich nicht und sind oft einige hundert Meter von der Grenzlinie entfernt zu finden. Wenn ich das Projekt in einer Zeit abschließen wollte, die ähnlich einer Red Bull X-Alps Wettbewerbs-Zeit liegt (also um die 10-14 Tage) dann musste ich fliegen und diesen Kompromiss eingehen! Am Ende sollte abgesehen von einem Abenteuer einfach ein Track raus kommen, der das Land Salzburg eindeutig erkennen lässt!’

„WENN DU STEHEN BLEIBST, KOMMST DU NICHT WEITER“

 

Tag vier bis acht war von schlechtem Wetter und starkem Wind geprägt. An Fliegen war nicht zu denken und das in einem der abgeschiedensten Gebiete Salzburgs, der ersten Alpenhauptkamm Querung und dem Lungau. ‘Fünf Tage auf den Bergen, in den Wolken, im Regen und teilweise weglos, alleine unterwegs zu sein, war eine enorme körperliche und mentale Herausforderung. Aber mit der klar definierten Strecke und der eigenen Haustür als Ziel vor Augen, war die Motivation durchwegs hoch!’ sagt Paul. ‘Und das Erlebnis war unglaublich schön! Fast keine Menschen und ein verlassener Gipfel nach dem anderen!’

In diesen Tagen alleine hat Paul 13000 Höhenmeter und 150 Kilometer zu Fuß zurückgelegt.

„TRÄUME BEEINFLUSSEN UNSERE ZUKUNFT“

 

‘Es hat einen Abschnitt auf meiner Route gegeben, wo klar war, dass ich fliegen muss! Am Katschberg fängt der Nationalpark Hohe Tauern an und zieht sich nach Westen bis zur Grenze nach Italien- und da ist starten und landen dann nicht mehr erlaubt. Also musste ich fliegen und habe mir von Anfang an das passende Wetter in diesem Abschnitt gewünscht- und der Wunsch ist in Erfüllung gegangen!’ 

Am neunten Tag startet Paul zu einem seiner schönsten Flüge direkt entlang des Alpenhauptkamms, vorbei an spektakulären Gipfeln wie Hochalmspitze, Sonnblick u Großglockner. Die Bedingungen sind optimal und so kann Paul die 100km entlang der höchsten Berge der österreichischen Alpen in nur fünf Stunden zurücklegen. ‘Zu Fuß hätte ich für diesen Abschnitt fünf Tage gebraucht…’ ergänzt Paul.

Doch nun hieß es wieder zu Fuß weiter, denn das nächste Ziel war der 3657m hohe Gipfel des Großvenedigers, dem höchsten Punkt Salzburgs. Hier sind ihm einige Freunde, unter anderem sein langjähriger Red Bull X-Alps Supporter Werner Strittl zu Hilfe gekommen. ‘Werner ist ein sehr guter Freund von mir und auch Bergführer. Es galt nun einige vergletscherte Abschnitte und hohe Berge zu meistern und da war ich sehr froh über seine Hilfe! Wir haben zwei sehr coole Tage in den Bergen zusammen verbracht, bevor ich wieder alleine weiter bin..’ erzählt Paul. Leider konnten die beiden die Dreiherrenspitze, den westlichsten, höchsten Gipfel, der das Dreiländereck Osttirol, Salzburg und Italien flankiert, nicht wie geplant besteigen, da Werner Schmerzen am Fuß bekam. ‘Aber den holen wir nach, da waren wir uns einig!’ fügt Paul hinzu.

„ES KOMMT WIE ES KOMMEN SOLL“

 

‘In den nächsten Tagen hab ich nichts geschenkt bekommen’ sagt Paul als er die letzten Tage seines Abenteuers Revue passieren lässt. ‘Am 12. Tag habe ich kurz geglaubt, dass ich es eventuell fliegerisch bis fast nach Hause schaffen könnte, doch der Wind war viel stärker als vorhergesagt und die Bedingungen in der Luft waren anspruchsvoll! Von da wo ich am Ende des Tages gelandet bin, war mein Zuhause nur 30km Luftlinie entfernt, doch an dieser Stelle macht die Grenze noch einmal einen Bogen und führt nochmal über 55km extrem abgelegene und schwierige Hochplateaus. An einem guten Flugtag ist das in wenigen Stunden erledigt aber zu Fuß geht man mehrere Tage lang durch ein Labyrinth aus Felsen…und die Wettervorhersage war alles andere als gut. Nach 13 Tagen unterwegs, war dieser Moment des Realisierens was jetzt noch vor mir liegt mein moralischer Tiefpunkt.’ erklärt Paul. 

Doch er hat einen Schritt vor den anderen gesetzt und mit noch mehr Ehrgeiz reagiert! ‘Es war einfach Zeit dem Ganzen ein erfolgreiches Ende zu setzen’ fügt er hinzu.

‘Ein unglaublicher 17 Stunden Tag und eine kurze Nacht hoch oben am Steinernen Meer über Saalfelden später und es lag ‘nur noch’ die Durchquerung des Hagengebirges und die Überschreitung des Hohen Göll vor mir… Mein Essen war aufgebraucht und meine einzige Chance war einen Freund zu bitten den sieben stündigen Marsch anzutreten um mich am Weg zu treffen und mir aus der Patsche zu helfen. Es war alles ausgemacht. Ich bin mit den ersten Sonnenstrahlen aufgestanden und der Plan war ihm von einem Sattel in Richtung Norden entgegen zu gleiten bevor der Regen kommt! Doch an ein Starten war an diesem Punkt leider nicht zu denken. Der Wind war zu stark und ist außerdem aus der falschen Richtung gekommen. Somit ist mir nichts anderes übrig geblieben als weiter hinauf zu steigen, dem felsigen und unwegsamen Grat entlang. Oben angekommen, war die Schlechtwetterfront schon sehr nahe und der Wind war grenzwertig stark- ist jedoch aus der richtigen Richtung gekommen. Es war acht in der Früh und ich war tatsächlich in ‘the middle of nowhere’ und musste eine Entscheidung treffen. Ich habe die Situation für ca. 15 Minuten beobachtet und mich dann entschlossen einen Start zu wagen. In den Felsen besteht leicht die Gefahr dass man mit einer Leine hängen bleibt und sie reißt. Außerdem kann einen der starke Wind ausheben und unsanft in die Steine katapultieren…’ erklärt Paul. Doch es ist alles gut gegangen und Paul hatte einen der spektakulärsten Flüge seines Lebens. ‘ Es ist relativ sanft und konstant nach oben gegangen und ich konnte hoch über dem Königssee über die endlose Steinwüste, Berchtesgaden und den Göll in einer Stunde 30 Kilometer bis nach Hallein fliegen!! Das war ein unglaubliches Erlebnis und eine unglaubliche Erleichterung! Meine Frau Magdalena hat uns mit unserem Sohn bereits am Landeplatz erwartet und wir konnten es beide fast nicht glauben… Wir sind dann zusammen gemütlich nach Hause spaziert und das Abenteuer war wieder zu Ende. Einfach so. Weil so schnell kanns gehen, wenn man mit einem Gleitschirm unterwegs ist…’ berichtet Paul erleichtert.

Sein Freund, der versucht hat ihn mit dem Essen zu treffen, hats ihm nicht übel genommen.


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Paul Guschlbauer

Alle Fotos von:

Philipp Reiter, @philippreiter007

Nicolas Holtzmeyer, @nico_blkorwht